Der Tag beim Goldfisch. Eine Rückblende.

Februar 10, 2007 at 5:49 pm (Fische, Goldfisch)

Tag beim Goldfisch. Entstehungszeit: Abends.

30 Minuten vor dem Zusammentreffen mit dem Goldfisch saß Novalee in einer langsam auskühlenden Bahn. Den ganzen Tag schon fragte sie sich, was sie da eigentlich sollte. In jedem Fall würde dies eine Premiere werden. Und dabei würde es auch bleiben. Das schwor sie sich. Sie würde den Abend mit ihm verbringen. Die Pflicht am darauf folgenden Tag hinter sich bringen. Das Köfferchen anschieben. Und diesen Ort verlassen. Für immer.

Sie hatte es satt. Dieses Gefühl. Sie wollte ihn nicht. Sie wollte ihn nicht wollen. Sie wollte endlich diese beschissene Eigenschaft ersticken, die sie jedes Mal dazu brachte, Mr. „last seen“ zum ultimativen Leidenserzeuger und Sehnsuchtsobjekt zu erheben. Denn im Grunde war es doch beim Goldfisch nicht anders, als bei allen anderen. Auch an den Fahrradfahrer musste sie eine Zeit lang denken. Obwohl sie genau wusste, dass sie ihn in ihrem Leben nicht wollte. Das hat mit keinem dieser Fische wirklich zu tun. Sondern nur mit Novalee selbst. Es war ihre große Schwäche. Ihr Lebensthema.

Mittlerweile waren es knapp 20 Minuten, die noch fehlten. Sie begann sich zu fragen. Ob dieses Wiedersehen so sein würde wie das letzte. Ohne Gefühle. Abgekühlt. Würde sie wieder vor ihm stehen und leer sein?

Vielleicht würde sich diese Leere diesmal hartnäckicher in ihr ausbreiten und festkrallen. Mit Hilfe des rationalen Sushi-Messers. Und Novalee würde sie mit nach Hause nehmen. Sie würde sie kultvieren und pflegen. Ihr das Frühstück ans Bett bringen und sie kraulen. Die Leere. Was braucht eine Leere, um sich wohlzufühlen? Wie macht man, dass sie bleibt?

Novalee war schlecht. Sie war nicht gut drauf. Sie lernte. Wo von Anfang an Gefühle waren, kann keine Freundschaft entstehen.

Tag nach dem Tag beim Goldfisch. Entstehungszeit: Mittags.

Es war geschafft. War es geschafft?

Was Novalee als einziges wusste, war, dass ihr gerade zum Weinen zumute war. War es die Anspannung, die von ihr abfiel? Oder war es die Begegnung mit dem Goldfisch? Der Abend war ruhig gewesen. Zurückhaltend. Und sie hatte nichts von dem getan, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte ihn nicht gefragt. Sie hatte keine Andeutungen gemacht. Hatte ihn nicht gefragt, wie es in ihm aussieht.

Wenn sie es sich recht überlegte, war sie recht benommen gewesen. Stumm. Leer. Wie in Trance. Die Mauer war oben gewesen. Den ganzen Abend. Sie hatte eine seltsame Nacht gehabt. Sie hatte versucht, nicht den Wunsch zu verspüren, in seinem Arm einschlafen zu dürfen.

Und nun saß sie im Zug und wollte weinen. Und sie sah seine Augen vor sich. Seinen unsicheren Blick. Wie sollte sie zu dem Status zurückgelangen, der sie gleichgültig machte. Wie?

Sprung in die Gegenwart. Entstehungszeit: Jetzt.

Er ist in ihr drin. Irgendwas von ihm ist in ihr drin. Sein Bild verblasst nicht. Es ist frisch. Und schwer.

Da war nichts. Es war nichts. Es war fast schon langweilig. Keine Gespräche. Sie war stumm gewesen. Und doch. Ist er so tief in ihr. Sind die Momente so stark.

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Ich habe gestern versucht, sein Bild zu löschen. Es mir auszutreiben. Und habe wieder andere Bilder eingesetzt. Das Bild des Guppys. Den ich gestern sehr schlecht behandelt habe. Das Bild eines neuen Fisches. Noch einer. Und heute abend kommt vielleicht noch einer dazu.

Ich bin krank. Ich bin krank. Krank vor Sucht. Süchtig nach Aufmerksamkeit. Und Möglichkeiten. Die keine sind.

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